Ein Tag in der Werkstatt

Eigentlich können wir uns ja überhaupt nicht beschweren. Herr Lehmann macht so gut wie keine Zicken und der gute alte Diesel läuft und läuft. Doch ab und an schleichen sich Geräusche in den nussigen Motorsound, die da einfach nicht hingehören. Mal ein Quietschen beim Kurvenfahren, mal ein Rattern trotz glatter Straße oder ein Knacken, wenn man in ein Schlagloch eintaucht. In den letzten Wochen wurden wir immer wieder im Leerlauf von einem Rasseln / Kratzen heimgesucht, welches ich nicht orten konnte. Getreu dem Motto: so lange es noch Geräusche macht, ist das Teil noch dran, sind wir weiter und weiter gefahren und haben geschaut, wie sich das Geräusch entwickelt. Ganz nach der Manier ungewöhnlicher Geräusche hat es sich nicht in Luft aufgelöst, sondern wurde immer lauter. Nach einigen Stunden des Horchens und Eingrenzens konnte ich dieses lästige Schnarren nun auf die Anbauteile beschränken. Wasserpumpe, Servopumpe, oder auch die Lichtmaschine konnten es sein. Am naheliegendsten: die Wasserpumpe. Die verrichtet nun schon seit 70.000km fröhlich und unauffällig ihren Dienst und kann schon mal kaputt gehen. Also eine Neue gekauft. Zum Glück hörte ich einige Tage später noch einmal genauer hin und meinte diesmal das Geräusch in der Nähe der Lichtmaschine orten zu können. Recht hatte ich im Endeffekt. Bin ich froh, dass ich nicht auf gut Glück die Wasserpumpe getauscht habe (Motor freilegen, Kühler ausbauen, Zahnriemen abbauen, Wapu wechseln usw – 6h Arbeit).

Werkstatttagebuch | Montag, 17. März 2014 | Chiang Rai | Thailand

10:17 Wir fahren los, um eine Werkstatt zu finden, die Lichtmaschinen reparieren kann.
10:25 Werkstatt 1 „No english“
10:32 Werkstatt 2 „No english“
10:49 Werkstatt 3. Hier spricht der Sohn ein bisschen Englisch und fragt uns aus, wo wir herkommen und wo wir hin wollen. Seine Englischkenntnisse reichen allerdings leider nicht über Nettigkeiten und Smalltalk hinaus, was uns auch nix weiter nützt.
10:53 Ein SUV-Fahrer mit Herrenhandtäschchen schaltet sich ein. Zur allgemeinen Erleichterung spricht er gutes Englisch und kann zwischen uns und dem Mechaniker vermitteln.
10:56 Endlich kanns losgehen. Martin demonstriert das Geräusch. Und erklärt dem Mechaniker, dass es NICHT der Auspuff und NICHT der ewig-quietschende Keilriemen ist, sondern das Rrrrrrrr-Rrrrrrr-Rrrrrr, welches unserer Vermutung nach vom Generator kommt, wenn der zu warm wird.
10:59 Mechaniker legt sich unters Auto und sagt „Aaaaaaah“ und „Oooooooh“.
11:00 Mechaniker versucht den Auspuff festzuschrauben. Da dies ein Ding der Unmöglichkeit ist, lassen wir ihn nicht lange gewähren. Unser Übersetzer gibt erneut die Info weiter, dass wir auf den Generator tippen.
11:01 Mechaniker holt Wasser und will die Riemen testen. Erneut geben wir die Info weiter, dass wir sicher sind, dass es die Lichtmaschine ist und nichts Anderes.
11:02 Martin packt den Mechaniker und zieht ihn unters Auto, damit er nochmals gaaaanz genau das Geräusch hört. Rrrrrrrr-Rrrrrrrrr-Rrrrrr. Nach einigen „Aaaaaaaaahs und „Ooooooooohs“ strahlt er wie ein Honigkuchenpferd und der Übersetzer übersetzt, dass das Geräusch vom GENERATOR kommt. Ernsthaft!? Da wären wir nicht aber drauf gekommen.
11:04 Der Übersetzer kennt den Weg zur Generatorenwerkstatt und bringt uns hin.
11:10 Der Übersetzer stellt uns den Chef als seinen Bruder vor. Tatsächlich sehen die beiden sich ähnlich. Ich vermute allerdings, dass der Bruder eigentlich der Cousin, Onkel oder Verwandter dritten Grades ist und der Übersetzer das richtige Wort dafür nicht kannte.
11:11 Der Übersetzer schildert unser Problem und sagt auch gleich, dass es nicht der Auspuff oder der Riemen sei (die Wörter verstehen wir mittlerweile auch auf Thai) sondern vermutlich ein Kugellager in der LiMa.
11:12 Preisverhandlung: Aus- und Einbau, inklusive neuer Kugellager und dem Einlöten neuer Kohlen für 30€ erscheint uns als fairer Preis.
11:14 Los geht’s! Unter den Argusaugen von Martin beginnt der Mechaniker den Generator auszubauen. Der Übersetzer überlässt uns unserem Schicksal – wir bedanken uns herzlich.
11:37 Der Generator ist draußen. Ab jetzt heißt es Arbeitsteilung: Die Kohlen sind Chefsache, der Mechaniker macht sich an den Kugellagern zu schaffen.
12:30 Der Mechaniker setzt Generator wieder ein.
12:41  Motor starten, Spannung pur und das Geräusch ist immer noch da. Mist!
12:43 Ratlosigkeit in den Gesichtern.
12:47 Mechaniker zieht einen neuen Riemen auf, den wir noch im Gepäck haben. Das Geräusch könnte ja von dort kommen.
12:58 Motor starten, Spannung pur und das Geräusch ist immer noch da. Mist!
13:00 Ratlosigkeit in den Gesichtern.
13:01 Mittagspause für alle. Auch wir gehen uns mit Nervennahrung versorgen.
13:45 Weiter geht’s!
13:50 Der Mechaniker tippt auf den Leerlauf, denn das Geräusch ist ja nur da zu hören. Er will die Leerlaufdrehzahl hochstellen und den Motor tunen (700Baht), dann wäre das Geräusch weg und der Motor liefe besser. Nette (eigentlich bescheuerte) Idee, aber das ändert nix am bestehenden Problem.
14:00 Mechaniker beginnt erneut den Generator auszubauen.
14:20 Mechaniker nimmt den Generator auseinander und nimmt sich der Unterdruckpumpe an, die hinten an der Lichtmaschine dranhängt. Die ist für die Bremsen zuständig und ziemlich wichtig, wenn man nicht gegen den nächsten Baum fahren will. Er dreht sie und ein Klackern ist zu hören. Dieses Klackern zeigte Martin ihm schon 11:37, doch da war es für ihn noch normal.
14:30 Preisverhandlungen die Zweite: Wir können 70€ als Gesamtpreis rausschlagen.
14:33 Mechaniker, Chef und die Frau vom Chef beginnen durchs Lager zu kriechen und suchen eine passende Pumpe.
14:46 Chef kommt mit passendem, gebrauchtem Generator. Mechaniker beginnt die neue Pumpe umzubauen, die auch wirklich ähnlich aussieht.
14:58 Der Mechaniker stellt fest, dass die Welle unserer Lichtmaschine für die neue Pumpe ein paar Millimeter zu lang ist und setzt die Flex an.
15:25 Mechaniker flext zum vierten Mal einen Millimeter ab.
15:30 Ein Gehilfe wird losgeschickt, um einen passenden Dichtring zu besorgen.
16:05 Der Dichtring ist da, passt aber nicht 100%. Der Mechaniker stellt außerdem fest, dass das Ganze irgendwie doch nicht passt und sich bei aufgeschraubter Unterdruckpumpe, die Lichtmaschine nicht mehr bewegt.
16:10 Der Mechaniker kommt auf die Idee, unsere alte Pumpe zu reparieren und versucht sie zu öffnen.
16:16 Eine Schraube bricht ab, damit ist unsere alte Unterdruckpumpe nun endgültig aus dem Geschehen raus. 16:25 Allgemeine Ratlosigkeit. Energie und Begeisterung lassen bei allen Beteiligten nach. Erste Ermüdungserscheinungen machen sich breit.
16:33 Der Mechaniker findet heraus, dass er das Oberteil der Lichtmaschine tauschen könnte um aus Zweien Eine zu machen, damit die neue Unterdruckpumpe an unser Gehäuse passt. Das hätte ihm auch schon vor zwei Stunden auffallen können, scheint aber für die Situation ein guter Plan zu sein.
16:43 Der englischssprachige „Bruder“ kommt vorbei und wundert sich, dass wir immer noch da sind. Das tun wir auch.
16:51 Jubelschreie: Die neue Pumpe passt nun endlich auf den alten Generator.
16:52 Zum Glück weist Martin darauf hin, dass der Dichtring mit der neuen Situation nicht zurecht kommt und nicht passen will. Also wird der Gehilfe wieder auf dem Moped losgeschickt.
17:34 Unruhe macht sich breit: In knapp einer halben Stunde soll doch eigentlich Feierabend sein!
17:52 Der Generator ist wieder an seinem Platz verbaut und alles scheint zu funktionieren.
17:53 Motor starten, Spannung pur und das Geräusch ist WEG, die Pumpe und damit die Bremse läuft – Hurra!!! Aaaaaaaber: Es kommt kein Ladestrom an den Batterien an. Das ist schlecht, so kurz vor Feierabend. 17:55 Mechaniker misst den Strom aus. Gar nicht mal so schlecht die Idee … und von ganz allein drauf gekommen.
17:57 Martin weist den Mechaniker zum dritten Mal auf unseren externen Laderegler hin, der uns in Argentinien eingebaut wurde und hofft, dass der Mechaniker vorhin nicht einen Neuen in die Lichtmaschine eingebaut hat und wir jetzt mit Zweien rumfahren. Würde ja nicht klappen.
18:00 Alle thailändischen Beteiligten sind genervt, denn eigentlich wäre jetzt ja Feierabend. Eigentlich. Wenn da nicht so ein Falang (Langnase = Ausländer) mit seiner grünen, verbastelten Weltreiseschleuder wäre …
18:02 Wir müssen einen Schrank abbauen, weil der Mechaniker an die Batterien muss um die Sicherung zu prüfen.
18:15 Glück gehabt. Der Mechaniker hat keinen zweiten Laderegler eingelötet sondern nur diese versteckte Sicherung war kaputt. Er tauscht sie aus.
18:25 JUHU – ES LÄUFT!
18:30 Die Lichtmaschine lädt fleißig vor sich hin, das Geräusch ist weg und sogar die Bremsen funktionieren. Das hätten wir zwischenzeitlich beim Ansetzen der Flex schon fast nicht mehr gedacht.
18:35 Wir bedanken uns überschwenglich bei allen Beteiligten und fahren dreckig, verschwitzt und müde zurück zu unserem Hotelcampingplatz.

Fazit? Geht doch! Zwar über Umwege und nicht sonderlich schnell, doch das nervige Geräusch sind wir los, die Lichtmaschine ist auch noch überholt worden und das alles für gar nicht mal so viel Geld. In Deutschland hätte man uns wahrscheinlich auf Verdacht eine neue Wasserpumpe, Servopumpe und Lichtmaschine eingebaut …

4 Gedanken zu „Ein Tag in der Werkstatt

  • März 23, 2014 um 7:31 pm Uhr
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    Hallo Ihr zwei Weltreisenden,
    ich beobachte Euch nun schon eine ganze Weile. Aber wenn ich mir vorstelle, dass Kathi im September „diesen Jahres“ wieder in der Schule sein will, habe ich große Bedenken !!
    Ich wünsche Euch weiterhin viel Erfolg bei Eurem Unternehmen. Versuche Euch über Mail´s zu erreichen war wahrscheinlich aussichtslos.
    Bleibt nach der anstrengenden Lehmann-Reparatur alle drei gesund und fahrtauglich.
    Liebe Grüße von Gisbert und Marina

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    • März 24, 2014 um 6:06 am Uhr
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      Hallo Gisbert! Unsere letzte Mail war vom 07.Januar – vielleicht ist diese in deinem SPAM-Ordner gelandet? Auf jeden Fall hast du aber eine neue soeben von uns bekommen!

      Alles Liebe,
      K+M+HL

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  • März 27, 2014 um 4:27 pm Uhr
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    Herzliche Grüße in die weite Welt!
    Ich darf doch etwas neidvoll Eure Reise verfolgen? Und das erst seit gestern Abend, da mir Mutter Andrea erst gestern Abend in der Küche des Dixiebahnhofs eure Adresse verraten hatte. Sie hätte das aber schon weit eher tun sollen und möglichst ALLEN Leuten, die sie erreichen kann!
    Viele meiner Vorfahren sind gereist, ein Ururgroßvater 1850 auf dem Pferderücken vom türkischen Schwarzmeerufer durch Kurdistan nach Mosul und von dort an den Urumsee (heute Iran) bis schließlich an das türkische Mittelmeerufer . Die von ihm auf 1100 Seiten beschriebene Reise wird heute noch nachgedruckt. Einer seiner Söhne -mein Urgroßvater-, war der einzige Kinderarzt in der 2. Hälfte des 19. Jh.s Palästinas, ein anderer Sohn Architekt des siamesischen Königs und Vater von 10 „gemischten“ Kindern. Ich selber schaffte es (westlich) nur mehrmals nach Kuba und südöstlich bis nach Nepal und freue mich, dass ich in Weixdorf auch gut leben kann, und das schon seit über 70 Jahren.
    Herzlich grüßt die aktiven und produktiven Weltenbummler
    Hans-Christoph Gaitzsch

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    • März 28, 2014 um 6:24 am Uhr
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      Hallo Herr Gaitzsch,

      vielen Dank für die Nachricht. Wir freuen uns immer, wenn unsere Seite Freude macht! Und Ihre Vorfahren: Wahnsinn!
      vg Martin & Kathi

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