Klingonische Kühe im Coca-Rausch

Wir stehen inmitten der Cordillera Blanca. Eine kühle, klare Nacht ist über uns hereingebrochen und Martin fotografiert den wunderschönen Sternenhimmel. Als wir später im Bett liegen und kurz vorm Einschlummern sind, hören wir ein seltsames Geräusch. Tiefes Brummen. Gibt’s hier eigentlich Bären? Nach einer Weile wird aus dem Brummen ein Quietschen, dass dem eines Schweins ähnelt. Gibt’s sowas wie Schweinebären? Mit der Taschenlampe bewaffnet machen wir uns aus unserem sicheren Versteck heraus auf Tätersuche. Ein paar Meter von unserem Bus entfert steht ein ausgewachsener Ochse und kaut genüsslich auf seinem Grasbüschel herum. Na gut, wenns weiter nichts ist … Gute Nacht!

Rumms. Was’n jetzt los? Rumms. Rumms. Rumms. Nur wenige Minuten (gefühlte Sekunden) nachdem wir eingeschlafen sind zucken wir erschrocken zusammen. Fängt der sich jetzt ernsthaft an, an unserem Bus zu kratzen!? Also probieren wir verschiedene Verscheuche-Techniken aus: Von dem Wedeln mit der Taschenlampe zeigt er sich unbeeindruckt. Gegen die Buswand zu schlagen ist auch nur von kurzem Erfolg gekrönt. Als weiterer Verteidigungsgegenstand dient unser Tambourin sowie lautes Zurückbrüllen. Von beidem lässt er sich aber überhaupt nicht stören. Die Technik des „Am-Fenster-Lauerns-und-es-schnell-brüllend-aufreißen“ wenn der Ochse seinen Kopf an unseren Seitenschwellern reibt, ist die Wirkungsvollste.

Da wir aber nicht vorhaben, die ganze Nacht aufzubleiben und „Fenster-Theater“ zu spielen, beschließen wir das Rindvieh Rindvieh sein zu lassen und uns schlafen zu legen. Immerhin tut uns das Tier ja nichts. Da unsere Wände nur wenige Millimeter dünn sind, kommt es uns aber so vor, als stünde er mitten im Fahrzeug. Es entwickelt sich folgender Dialog:

M.: „Irgendwann muss das blöde Vieh ja auch müde sein und legt sich schlafen.“

K.: „Glaub ich nicht, der kommt mir vor wie auf Speed.“

M.: „Wie soll denn bitteschön der Ochse an Speed gekommen sein?“

K.: „Dann halt Cocablätter. Die wachsen hier doch überall.“

M.: „Ein Ochse im Coca-Rausch, das hat uns gerade noch gefehlt …“

Wir versuchen trotzdem zu schlafen und tatsächlich: Nach zwei weiteren Stunden mit kurzen Schlaf- und langen Wachphasen für uns ist das Rindvieh anscheinend doch müde geworden, oder hat zumindest das Interesse an unserem Bus als Kratzvorrichtung verloren.

Endlich eingeschlafen hält mitten in der Nacht zu alledem auch noch ein Fahrzeug an der nahegelegenen Straße. Ich denk mir nur: „Lass dass bitte keinen peruanischer Fernfahrer sein, der einen nächtlichen Smalltalk mit uns machen will!“ Wenn wir müde und gereizt sind klingt unser Spanisch nämlich mehr nach Klingonisch. Doch wir haben Glück und das Fahrzeug zieht von Dannen. War wohl doch nur eine Pinkelpause …

Nächster Tag, 6 Uhr morgens. Unser Coca-Ochse ist wieder auf den Beinen und will uns dies mit einem munteren Kopfkratzen am Bus auch wissen lassen. Naja, jetzt wo wir schon mal wach sind, beobachten wir ihn einfach eine Weile. Und stellen fest: Den gibt’s ja dreimal! Kein Wunder, dass wir in der ersten Hälfte der Nacht kein Auge zu getan haben, wenn wir von drei Rindviechern in Schach gehalten worden sind.

Fazit: Liebe Freunde von uns werden in Kürze frischgebackenen Eltern sein. Ihr bekommt unseren vollen Respekt für das, was in den nächsten Wochen auf euch zukommt, denn wir haben nun eine Vorstellung davon, was es bedeutet eine Nacht im zwanzig-Minuten-Rhytmus zu verbringen. Mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass wir jederzeit hätten unseren Zündschlüssel umdrehen können um davon zu fahren 🙂

Ein Gedanke zu „Klingonische Kühe im Coca-Rausch

  • Juli 27, 2013 um 4:12 pm Uhr
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    Bei den Bildern krieg ich Tränen in den Augen: GENIAL! Man, hätte Lust mich da mit dem Mountainbike auszutoben…

    Euch viel Spaß weiterhin! Erfreue mich solange an Euren Bildern und Videos bis ich es selbst nach Südmerika geschafft habe. 🙂

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