GRENZwertigeERFAHRUNGEN

Fünfzig Kilometer trennen uns noch von Honduras, als wir unsere letzte Nacht in Guatemala auf dem riesigen Gelände einer sehr schicken Hotelanlage verbringen – und unser Geldbeutel freut sich, denn der nette Besitzer lässt uns kostenlos campen.

Grenzübertritte sind stets etwas Seltsames, Aufregendes und mitunter auch Nerviges. Das Prozedere ist (fast) immer das Gleiche: Personenausreise bei der Immigration, Autoausreise beim Zoll, Desinfektion des Autos, Personeneinreise bei der Immigration, Autoeinreise beim Zoll, Versicherung abschließen – das war’s. Zumindest theoretisch …

In der Praxis sieht das Ganze dann doch irgendwie anders aus: Kurz vor den Grenzen gibt es ein enormes Verkehrsaufkommen von LKW-Fahrern, hupenden TukTuks, Grenzgängern, Geldwechslern, fliegenden Händlern und Grenzhelfern. Letztere sind meist die ersten, die einem vor das Auto springen und versuchen mit selbstgemachten Ausweisen ihre kostenpflichtigen Dienste an den ausländischen Touristen zu bringen. Haben wir diese freundlich abgewimmelt, geht das Gesuche los: Wie sehen die offiziellen Beamten aus? Wo können wir unser Auto parken? In welches Gebäude müssen wir zuerst? An dieser Stelle müssen wir aber auch anmerken, dass alle Personen, die sich an der Grenze aufhalten – vom Schalterbeamten, über die Security bis hin zu den Grenzhelfern – sehr freundlich und hilfsbereit sind, wenn ein verwirrt aussehender Tourist nach dem richtigen Weg fragt. Hat man sich einmal an die entsprechenden Schalter vorgekämpft, ist das Schlimmste schon fast überstanden. Manchmal werden Gebühren verlangt, die dann auf Nachfrage „Por que? No creo que esto es correcto.“ (Warum? Ich glaube nicht, dass das stimmt.) auf einmal doch nicht erhoben werden (Da wollte mal wieder die Touristen-Falle zuschnappen!) und wir sind amüsiert über die latente Trickserei, selbst bei den Beamten …
Ist man aus dem einen Land raus, hat seine Stempel abgeholt und die Einfuhrpapiere oder -aufkleber fürs Auto wieder abgegeben will man ja in das andere Land rein. Zuerst Desinfektion, welche übrigens ein Witz für sich ist, denn ein meist gelangweilter Angestellter sprüht lustlos mit einer „Kärcher“-ähnlichen Gerätschaft jedes Rad für je eine halbe Sekunde mit „Desinfektionsmittel“ ein, welches seltsamereise geruchslos ist und eher an Wasser erinnert.
Und dann also alles von vorn: Geldwechsler, fliegende Händler und Grenzhelfer überwinden, verwirrt nach den richtigen Anlaufstellen Ausschau halten, Schalter finden, durchatmen. Einreisestempel sind kein Problem, ein Auto temporär einzuführen schon. Zuerst also wieder zum Zoll. Von dort aus zur obligatorische Versicherung. Diese schickt uns zum Kopieren (wir werden nie verstehen, wozu die unsere Pässe, Einreisestempel, Führerscheine, KFZ-Schein usw. immer doppelt und dreifach brauchen). Nach dem Kopieren zurück zum Zoll. Dort werden alle Scheine und Kopien kontrolliert und abgestempelt. Mit dem ganzen Stapel zurück, wieder alles Prüfen lassen. Irgendein Formular in Spanisch ausfüllen, Kopieren und dann mit dem letzten Stempel und einer letzten Unterschrift bekommen wir endlich unsere Einfuhrerlaubnis für Herrn Lehmann. Beim Grenzübergang von Nicaragua nach Costa Rica haben wir so locker drei oder vier Kilometer zurückgelegt. Willkommen in Zentralamerika! 🙂

Honduras und Nicaragua sind die ärmsten Länder Zentralamerikas. Etwa 50% der Bevölkerung leben an bzw. unter der Armutsgrenze, dennoch waren die Menschen, die wir hier getroffen haben freundlich und hilfsbereit. Als unser Herr Lehmann kurzzeitig außer Gefecht gesetzt war, wurde uns schnell und zielsicher geholfen.

Die Straßen könnten in Honduras und Nicaragua unterschiedlicher nicht sein. Ein einziger Asphaltalbtraum in Honduras, bei dem wir Schlängellinien fuhren, um nicht von einem Schlagloch ins nächste zu geraten – so schlimm, dass es uns bei einem Schlagloch ein Teil am Querlenker zerbrochen hat. In Nicaragua hingegen fuhren wir auf wunderbaren Landstraßen und sind so schnell wie zuletzt in den USA von einem Ort zum nächsten gekommen. Vor einigen Jahren soll das Verkehrsaufkommen noch gering gewesen sein – heute fahren aber allerhand, überwiegend neue Pickups, auf den Straßen. Vielleicht ein Zeichen, dafür dass es mit den Ländern wirtschaftlich bergauf geht?

Andererseits haben wir so viel Dreck und Müll wie in keinem anderen Land bisher gesehen und wurden öfter als sonst von kleinen Kindern angebettelt, die zum Teil einfach zu uns in den Bus hereingestiefelt kamen.

Dennoch hatten wir eine schöne Zeit in den beiden Ländern: Wir waren mal wieder richtig wandern und haben uns mehrere Stunden durch den Bergregenwald in Honduras gekämpft oder rauchende Vulkane in Nicaragua erklommen. Als krönenden Abschluss haben wir knapp eine Woche am Pazifikstrand in Nicaragua verbracht, wo wir jeden Tag schwimmen, Bodyboarden und spazieren waren. Die Abende haben wir mit anderen Reisenden aus Kanada, den USA, Deutschland, Schweden und der Schweiz mit Gitarren- und Tambourinklängen am knisternden Lagerfeuer verbracht. Und so fiel uns der Abschied dann zum ersten Mal wirklich schwer, aber wir haben Termine: In Costa Rica warten nun drei Wochen gemeinsamen Reisens mit Martins Eltern auf uns.

Wir freuen uns auf den Besuch aus der Heimat und sind gespannt, welche Erlebnisse wir zusammen im Land von „Pura Vida“ machen werden. Bereits auf den ersten hundert Kilometern hat sich dieses Land als das komplette Gegenteil der letzten Wochen erwiesen. Da Costa Rica eines der beliebtesten Urlaubsziele der US-Amerikaner ist, ist deren Einfluss überall zu sehen und zu spüren. Es liegt weniger Müll herum, alles leuchtet in saftigen Grüntönen, es gibt viel Verkehr und keine Militärpräsenz, die Häuser in ländlichen Gebieten sehen wieder wie Häuser aus und die Preise im Supermarkt haben uns beim ersten Einkauf hinter die Ladentheke fallen lassen …

4 Gedanken zu „GRENZwertigeERFAHRUNGEN

  • Februar 2, 2013 um 9:13 pm Uhr
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    Naja, ab jetzt werden die Grenzen VIEL einfacher… Die nach Panama ist schon zivilisierter, und in Südamerika geht’s dann schneller als eine Einreise in die Türkei oder Marokko. Kolumbien’s Einreise-„Stempel“ wird mit einem Computerdrucker gemacht. Und 8-fache Kopien braucht mensch auch nicht mehr.

    Gute Weiterfahrt.

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  • Februar 3, 2013 um 8:20 pm Uhr
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    geniale bilder und ein toller bericht! für mich ist es erstaunlich wie groß die unterschiede der länder mittelamerikas sind, hätte ich nie so gedacht.

    dresden steht noch und geändert hat sich bei den ganzen spinnern auch nicht viel. aber das erfahrt ihr ja noch 😉

    ich hoffe es geht euch weiter gut, lasst es krachen!

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  • Februar 15, 2013 um 8:29 pm Uhr
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    Hey ihr zwei, haben euch zwei heute im supermarkt santa elena, costa rica, gesehen. Schön,dass martins papa die gesamte zeche im supermarkt gezahlt hat…:-)
    Tolle idee und toller reisebericht. Sind heute abend ab halb neun im trio restaurant links vom supermarkt-gibt gute cocktails da-vielleicht bis später ansonsten,schöne reise…sarah&andy

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    • Februar 16, 2013 um 8:12 pm Uhr
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      Hallo,

      danke für eueren Kommentar 🙂 Haben das zu spät gelesen, aber vielleicht klappts ja heute Abend? Schreibt einfach eine Mail.

      lg

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